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Karriere-Ende mit 30: Andreas Hinkel macht Schluss. Das sagte er dem „kicker“. Es ist keine Verletzung die ihn dazu zwingt. Es ist sein freier Entschluss. Er sagt: „Seit die drei bei mir vorne steht ist es schwieriger geworden.“ Wohlgemerkt: Nicht schwieriger, mitzuhalten, sondern schwieriger, einen Verein in der Bundesliga zu finden.
BILD: Wie fühlt man sich als Ex-Profi? Hinkel: „Sehr gut. Jetzt, wo die Entscheidung raus ist, spüre ich Erleichterung. Ich war zwölf Jahre Profi, habe Titel gewonnen, Champions League und Nationalmannschaft gespielt. Man muss den richtigen Zeitpunkt zum Aufhören finden. Ich bin mit mir im Reinen.“
BILD: Ist man nicht mit 30 im besten Fußballer-Alter? Hinkel: „Ja, das war früher so. Heute gehört man zum alten Eisen, wenn die drei vorne steht. In Deutschland noch mehr als in anderen Ländern. Es wird Potenzial vergeudet. Man ist immer darauf hinaus, zu verjüngen. Diese Entwicklung ist extrem. Aber ich glaube, dass sich das auch wieder in eine gesunde Mischung einpendeln wird. Oder muss. Man kann ja nicht noch jüngere Spieler einsetzen als es derzeit der Fall ist.“
BILD: Wird Erfahrung verkannt? Hinkel: „Ja, das denke ich schon. Nehmen wir das Beispiel Mats Hummels. Er hat eine tolle EM gespielt, aber im Halbfinale vor dem 0:1 macht er einen einfachen Fehler. Diesen Fehler, sich falsch zu drehen, wird er in seinem Leben nie wieder machen. Erfahrungswerte, die man mit Anfang 30 hat, sind unbezahlbar. Das sieht man auch an den Spaniern, die mit Puyol, Iniesta, Xavi, Xabi Alonso oder Casillas auf routinierte Spieler bauen. Ich denke, dass man drei erfahrene Spieler als Gerüst braucht, die eine Mannschaft führen können, die den Takt vorgeben.“
BILD: Wie erklären Sie sich den Jugendwahn? Hinkel: „Das liegt zum einen an der guten Ausbildung in der Jugend. In den Internaten trainieren die jungen Spieler ja schon wie Profis bevor sie Profis werden.“
BILD: Und zum anderen? Hinkel: „Vielleicht ist der Jugendwahn in Deutschland auch ein gesamtgesellschaftliches Phänomen: Als Fußballer ist man mit 30 zu alt, in der normalen Arbeitswelt wird man mit Mitte 50 abgeschoben. Den alten Arbeitskräften werden dann Klischees vorgeworfen, sie seien nicht flexibel, nicht kreativ. Dabei ist ihr Know How so wichtig. Da sehe ich zum Fußball eine Parallele.“
BILD: Fühlen Sie sich noch gut genug für die erste Liga? Hinkel: „Mit richtiger Vorbereitung – ja klar. Aber in meinem Alter erhält man keine langfristigen Verträge mehr. Und ich will nicht hin- und hertingeln. Auch aus Rücksicht auf meine Familie.“
BILD: Sie verzichten auf ein sicheres Einkommen. Hinkel: „Das stimmt. Gerade in Katar, China oder USA hätte ich noch gutes Geld verdienen können. Auch in der zweiten oder dritten Liga. Aber ich frage mich – ohne Vereine oder Länder schlecht reden zu wollen: ,Was tue ich mir jetzt noch an?‘ Ich habe Familie – und ich habe nur diesen einen Körper.“
BILD: Und jetzt? Hinkel: „Fußball zu spielen hat mich von klein auf beglückt. Ich möchte etwas finden, was mich genauso erfüllt. Ich mache derzeit die Fußball-Trainer-B-Lizenz. Ich will aber auch Sportmanagement und die Beraterschiene kennen lernen. Ich werde in kein Loch fallen. Ich stecke voller Energie.“