13.06.2015

Hinkel über VfB-Mentalität: "Hart arbeiten, bodenständig bleiben"

DFB.de


Vor zwei Jahren begann Andreas Hinkel als Jugendtrainer beim VfB Stuttgart. Seit Saisonbeginn ist er als Co-Trainer für die U 17 verantwortlich, die nach einer sehr erfolgreichen Saison am Sonntag (ab 11 Uhr, live auf DFB-TV) im Finale um die Deutsche Meisterschaft antritt. Borussia Dortmund wartet als Gegner auf die Schwaben. Ausgerechnet gegen den BVB kassierte Hinkel 1998 als Jugendspieler eine bittere Finalniederlage, die er ein Jahr später wettmachte.


Im Interview mit DFB-Redakteur Tim Noller spricht der ehemalige Nationalspieler über seine neue Rolle als Trainer, die Gründe für die herausragende Talentförderung des VfB und seine ganz persönlichen Erinnerungen an die Deutsche Meisterschaft der B-Junioren.


DFB.de: Herr Hinkel, Sie haben erst vor zwei Jahren Ihre Trainerkarriere begonnen. Ist das Spiel am Sonntag Ihr Finaldebüt als Trainer?


Andreas Hinkel: Nicht ganz. Wir standen auch schon im WFV-Pokalfinale, das wir gewinnen konnten. (Anm. d. Red.: 4:3 nach Verlängerung gegen die Stuttgarter Kickers)


DFB.de: Wie unterscheidet sich die Spielvorbereitung als Trainer im Vergleich zu Ihrer Zeit als Spieler?


Hinkel: Als Trainer ist man für das Große und Ganze zuständig. Für jeden einzelnen Spieler muss man alles mitbedenken. Als Spieler habe ich mich auf meine eigene Leistung konzentriert und hatte auf meiner Position einen Job für die Mannschaft zu erledigen. Die Vorbereitung für so ein Finale ist generell etwas Spezielles, weil ein Endspiel großes Aufsehen erregt. Mehr Zuschauer, anderes Umfeld, anderes Stadion und vor dem Spiel das DFB-Bankett. Besonders das große Medieninteresse sind die Jungs so nicht gewohnt.


DFB.de: Hat Sie der Finaleinzug Ihrer Mannschaft überrascht?


Hinkel: Eine Saison so vorherzusehen, ist schwierig. Im Juli vor knapp einem Jahr haben wir uns zum ersten Mal im Trainingslager getroffen und uns zusammen mit den Jungs Ziele gesetzt – unter anderem auch die Deutsche Meisterschaft. Aber dass wir jetzt im Finale stehen, war natürlich auch harte Arbeit. Wir hatten eine sehr starke Süd/Südwest-Staffel und sehen es daher als Riesenerfolg an, nach 26 Spielen gegen Topgegner Staffelmeister geworden zu sein.


DFB.de: Dortmund oder Stuttgart – wer ist im Finale der Favorit?


Hinkel: Rein von den Juniorennationalspielern ist Borussia Dortmund der Favorit – da hatten sie bei der U 17-EM mehr dabei als wir. Wir haben mit Daniele Collinge nur einen englischen Spieler gestellt. In nur einem Spiel kann jedoch alles passieren, sodass auch die Tagesform eine wichtige Rolle spielen wird.


DFB.de: Der VfB Stuttgart wird seit jeher für seine gute Jugendarbeit gelobt. Worin liegt das Geheimnis der schwäbischen Ausbildung?


Hinkel: Es ist sehr bemerkenswert, was da geleistet wird. Der VfB ist in der U 19 und in der U 17 deutscher Rekordmeister und über Jahre hinweg immer wieder in den Endspielen dabei. Ich glaube, das liegt unter anderem an der Mentalität aus dem Schwabenland: Hart arbeiten, bodenständig bleiben – diese Tugenden. Auch das Erfinderische gehört dazu. Wir haben hier große Unternehmen, die erst durch das Tüfteln Großes erreicht haben. Mit Ralf Rangnick kam auch im fußballerischen Bereich etwas Neues aus der Region: die Viererkette.


DFB.de: Also liegt das Geheimnis in der Offenheit für Neues?


Hinkel: Genau. Hier wird versucht, immer weiterzugehen und sich zu entwickeln. Der kontinuierliche Aufbau einer Mannschaft, wie bei den Herren, ist im Jugendbereich nicht möglich. Deshalb finde ich es umso bemerkenswerter, dass man mit neuen Jahrgängen immer wieder so weit kommt.


DFB.de: Kehren wir zurück zur Deutschen Junioren-Meisterschaft und Ihren ganz persönlichen Erfahrungen.


Hinkel: Ich habe eine gute und eine nicht so gute Erinnerung. 1998 spielte ich mein erstes Meisterschaftsfinale in Dortmund gegen Dortmund. Da habe ich den entscheidenden Elfmeter verschossen. Danach war das Spiel entschieden. Ioannis Amanatidis hat damals auch verschossen. Irgendwie haben wir beide den Durchbruch doch geschafft. Diese negativen Erlebnisse können eben auch prägend sein.


DFB.de: Inwiefern?


Hinkel: Ich war damals noch im jüngeren Jahrgang und schon ein Teil des Teams. Nach der bitteren Erfahrung habe ich mir dann das Ziel gesetzt, im nächsten Jahr Deutscher Meister zu werden. Das war meine Motivation. Wir sind dann wieder ins Finale gekommen und haben die Revanche gegen Dortmund zu Hause bekommen. Glücklicherweise konnten wir das Spiel 3:1 gewinnen. Für mich war das eine Genugtuung.


DFB.de: Helfen Ihnen diese Erfahrungen für das Finale am Wochenende?


Hinkel: Der Mensch besteht aus seinen Erfahrungen. Ich versuche natürlich dieses Wissen an die Jungs weiterzugeben und ihnen so gut es geht zu helfen. Aber jeder ist da individuell. Dem einen muss man die Nervosität nehmen, der andere braucht etwas mehr Druck. Das sind Dinge, für die man ein Gespür entwickeln muss.


DFB.de: Sich auf jeden Spieler einlassen – liegt darin der besondere Reiz als Trainer?


Hinkel: Genau das ist das Spannende und Interessante. Dieses Gefühl für die Spieler zu entwickeln, ihre Stärken und Schwächen zu erkennen. Das ist das gewisse Extra, das einen guten von einem schlechten Trainer unterscheidet. Probleme erkennen und die richtigen Entscheidungen und Worte finden.


DFB.de: Zeigen die Spieler an den Tipps eines ehemaligen Nationalspielers spezielles Interesse?


Hinkel: Alles, was wir erreicht haben, ist eine Teamleistung. Cheftrainer, Torwarttrainer, Co-Trainer – alle verfügen über gewisse Stärken. Ich bringe Erfahrungen aus meinem Bereich, dem Spitzenfußball, mit. Domenico Tedesco (Anm. d. Red.: Cheftrainer der U 17) war lange Zeit Trainer im Jugendbereich und bringt da seine Erfahrungen mit. Das eine ergänzt das andere. Der Finaleinzug ist nun das Ergebnis.

< zurück